Drogensucht und Bulimie/Binge Eating: Was sind die Gemeinsamkeiten und was kann man daraus für die Therapie und Heilung lernen?

In diesem Artikel erfährst Du: 

  1. Was im Gehirn bei Sucht passiert und welcher Botenstoff dafür hauptverantwortlich ist.
  2. Was die Gemeinsamkeiten von Drogensucht und Bulimie /Binge Eating sind.
  3. Was meiner Erfahrung nach mit der vorrangig wichtigste Aspekt für die  Heilung von Bulimie/Binge Eating ist.

Für wen ist das wichtig?

  1. Für Menschen, die unter Bulimie/Binge Eating leiden.
  2. Für Menschen, die das Gefühl haben keine Kontrolle über ihr Essverhalten zu haben, aber (noch) nicht in die Kategorie einer Essstörung fallen.
  3. Für Angehörige, um besser  verstehen zu können, warum die Betroffenen sich so schwer tun „doch einfach mit den Essanfällen aufzuhören„. 

Kann Essen eine Droge sein?

  • Das Hauptkriterium für eine Sucht ist: 

Man konsumiert wiederholt eine Substanz  oder führt ein Verhalten immer wieder aus, obwohl es einem schadet und man selbst, sowie viele Bereiche des Lebens darunter leiden. 

  • Als Droge kann gelten:  

Alkohol, Nikotin, Medikamente wie zum Beispiel Schlaftabletten, Kokain, Heroin und ähnliche Substanzen.
Aber auch bestimmte Verhaltensweisen können zur Droge werden: Es gibt zum Beispiel Kaufsucht, Spielsucht, Sexsucht,…

Schauen wir uns zunächst einmal an, was neurobiologisch passiert, wenn wir süchtig sind*:

* Der Organismus und vor allem unser Gehirn sind sehr komplex, deshalb vereinfache und verkürze ich hier natürlich stark. Für ein Grundverständnis ist das aber vollkommen ausreichend. 

  • Unser Gehirn setzt sich aus ca. 86 Milliarden Nervenzellen (Neuronen) zusammen und verfügt über ca. eine Trillion Synapsen. Synapsen sind die Verbindungen zwischen den einzelnen Nervenzellen. 
  • Das heisst, ein Neuron ist mit bis zu 30.000 anderen Nervenzellen verknüpft. 
  • Um einen Reiz bzw. eine Information von einer Nervenzelle zur nächsten zu leiten, entlässt das Neuron einen sogenannten Neurotransmitter (das ist ein Botenstoff) in den synaptischen Spalt, welcher dann entsprechend weitergeleitet wird. 

Welche Bereiche des Gehirns sind bei Sucht beteiligt?

Vereinfacht ausgedrückt ist unser Gehirn in bestimmte Bereiche aus Synapsenverbindungen und Nervenzellen unterteilt und jeder Bereich erfüllt bestimmte Funktionen.

  1. Die Basalganglien: Vor allem hier sitzt unser Belohnungszentrum, das für die Bildung von Motivation und Gewohnheiten essentiell ist. Bei Sucht wird dieser Bereich überaktiviert, was vor allem zu Beginn zu dem bei Sucht typischen Rausch-Euphorie-Zustand führt. Allerdings gewöhnt sich dieser Bereich schnell an diesen Zustand und somit ist man immer weniger sensibel für Reize , d.h. zum Beispiel Freuden des normalen Lebens, die nicht so stark sind wie der Drogenrausch.
  2. Die Amygdala: Die Amygdala wurde aufgrund ihrer Form nach dem griechischen Wort für Mandelkern benannt. Sie steht funktional vor allem im Zusammenhang mit unseren Emotionen. Dies spielt vor allem eine Rolle, wenn die Wirkung der Droge nachlässt. Es kommt zu Angstzuständen, innerer Anspannung, Reizbarkeit, Stressgefühlen und Unwohlsein.  Und anders als die Basalganglien wird dieser Bereich mit der Häufigkeit des Drogenkonsums immer sensibler.  Das heisst: Mit der Zeit konsumiert man die Droge (bzw. führt ein entsprechendes Verhalten aus) nicht mehr wegen des guten Gefühls, sondern vor allem, um den negativen Zustand loszuwerden.
  3. Der Präfrontale Kortex: Hier sitzt vor allem der sogenannte rationale Verstand, unsere Fähigkeit vorausschauend zu denken, zu planen und Lösungen für Probleme zu finden.
    Bei Drogenmissbrauch kommt es hier zu einer Dysbalance, die dazu führt, dass man sein Verhalten immer weniger unter Kontrolle hat.

Der Einfluss von Dopamin

  • Es gibt einen Botenstoff, der mit am meisten bei Suchtverhalten beteiligt ist: Das Dopamin. 
  • Dopamin ist sowohl ein Neurotransmitter als auch ein Hormon. Das heisst, es sorgt für eine schnelle Reizweiterleitung zwischen zwei Nervenzellen, wirkt aber auch über die Blutbahn auf weiter entfernte Ziele, zum Beispiel Organe.
  • Dopamin wird oft als sogenannter „Wohlfühl“ -Neurotransmitter oder „Glückshormon“ bezeichnet. Es wird unter anderem dann vermehrt ausgeschüttet wenn Du Dich wohl fühlst, wenn Du glücklich bist, wenn Du belohnt wirst, wenn Du besonders motiviert bist,…

Unser Gehirn ist grundsätzlich darauf ausgerichtet nach diesem Gefühl von Glück und Befriedigung zu suchen und uns das wiederholen zu lassen, was zu diesem Zustand führt. 

Es ist also nicht verwunderlich, dass Dopamin im Zusammenhang mit den meisten Drogen eine sehr große Rolle spielt.

Vergleicht man diese Erkenntnisse über Drogensucht nun mit Bulimie/Binge Eating, so konnte in wissenschaftlichen Studien gezeigt werden: 
Bei Bulimie/Binge Eating sind ähnliche Gehirnareale betroffen und Dopamin spielt auch hier eine entscheidende Rolle. 

Dopamin wird nämlich auch dann verstärkt ausgeschüttet, wenn wir etwas essen, auf das wir richtig Lust haben und was wirklich lecker ist, zum Beispiel wenn etwas sehr süss, stark gewürzt oder fettig ist.

Es gibt einen riesigen Forschungszweig in der Lebensmittelindustrie der nur darauf ausgerichtet ist, Nahrungsmittel chemisch so zu verändern und zu „gestalten“, dass sie eben zu möglichst viel Freisetzung von solchen Glücksstoffen wie Dopamin führen… und Du nur schwer mit dem Essen aufhören kannst.

Gemeinsamkeiten zwischen Drogensucht und Bulimie/Binge Eating?

Unter Anderem folgende Studie hat dies genauer untersucht:  https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22544008/

  1. Sowohl Bulimie/Binge Eating als auch Drogensucht sind häufig gekoppelt an bestimmte Orte, Situationen oder bestimmte Emotionen. Das heisst, hier ist die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass es zum Suchtverhalten kommt.
    So hat man beispielsweise eher einen Essanfall (oder einen Alkoholrausch), wenn man nach einem stressigen Tag in der Arbeit Zuhause alleine ist. (Emotion: Stress, Situation: nach der Arbeit, Ort: Zuhause). Was diese Koppelungen im Einzelnen sein können, ist individuell verschieden, auch wenn es sogenannte „Gefahrenzonen“ gibt, bei denen das Suchtverhalten gehäuft auftritt.
  2. Sowohl bei Bulimie/Binge Eating als auch bei Drogensucht fühlt man einen großen Drang ein bestimmtes Verhalten auszuführen oder etwas bestimmtes zu konsumieren.
    Und im Endeffekt ist es tatsächlich nur der Drang einen Essanfall zu haben, der dazu führt, dass man einen hat. Es ist nur der Drang Kokain zu nehmen, der dazu führt, dass man es konsumiert. Ohne Drang auch kein Suchtverhalten! Siehe hierzu einen meiner folgenden Artikel. 
  3. Sowohl bei Bulimie/Binge Eating als auch bei Drogensucht spürt man eine mehr oder weniger große Erleichterung, sobald man diesem Drang nachgibt, also die Droge nimmt bzw. ein bestimmtes Verhalten ausführt oder eben einen Essanfall hat. Es wird -u.a.- viel Dopamin ausgeschüttet und man fühlt sich besser!
    Dieser meist sehr kurzfristige positive Effekt ist sehr gefährlich, denn er führt dazu, dass man immer wieder die Droge nehmen möchte bzw. immer wieder einen Essanfall hat!
  4. Sowohl bei Bulimie/Binge Eating als auch bei Drogensucht kommt es zu einem Gefühl des Kontrollverlusts.
  5. Bei Beidem hält man an dem Suchtverhalten fest, obwohl die negativen Konsequenzen gravierend sind. Man nimmt die körperlichen und psychischen Schäden in Kauf, aber auch soziale Beziehungen, die Arbeit, und so vieles Weiteres sind beeinträchtigt.
  6. Wie die Drogensucht, so hat auch Bulimie/Binge Eating die Tendenz bei längerem Fortbestehen zu einer Toleranz zu führen. Mit Toleranz meine ich hier, dass die gewohnte Menge, die eben zu diesem kurzfristigen guten Gefühl geführt hat, nach und nach gesteigert werden muss, um denselben Effekt zu haben.
  7. Und bei Beidem kommt es zu ähnlichen Entzugserscheinungen, wie zum Beispiel gesteigerten Angst- oder Panikgefühlen, Schlafstörungen und einem unerträglichen körperlichen wie psychischen Druck das Suchtmittel konsumieren. (Im Fall der Bulimie/Binge Eating ist das Suchtmittel eben der Essanfall)

Übrigens weist auch das sogenannte Purging-Verhalten der Bulimie viele Gemeinsamkeiten mit der Drogensucht auf.
Purging ist das, was man in Folge eines Essanfalls tut, um einer Gewichtszunahme vorzubeugen. Um das, was passiert ist irgendwie wieder gut zu machen bzw. auszugleichen. Zum Beispiel exzessiv Sport machen, Fasten, Mahlzeiten auslassen, Abführmittel nehmen, und vieles Weiteres…
Nach einem Essanfall können es Manche einfach nicht auszuhalten eine dieser Massnahmen nicht zu ergreifen, denn nur so haben sie das Gefühl zumindest ein Stück weit die Kontrolle über ihren Körper zurück zu erlangen. 

Zusammengefasst bedeutet das:

  • Der Drang nach einem Essanfall funktioniert neurobiologisch ähnlich wie der Drang danach eine Droge zu konsumieren: Er ist sehr stark und es scheint nahezu unmöglich ihm zu widerstehen. 
  • Aufgrund dessen, was im Gehirn passiert, geben die Betroffenen diesem Drang nach, obwohl sie in der Regel wissen, dass ihnen das mittel- und langfristig sehr schadet. Und obwohl sie so sehr darunter leiden. 
  • Durch Wiederholung kommt es zu Toleranzentwicklung und Entzugserscheinungen. 

Vielleicht macht dieser Vergleich mit der Drogensucht es auch für Aussenstehende und Angehörige leichter nachzuempfinden, was für eine Last und Beeinträchtigung Bulimie/Binge Eating bedeutet.

Der Weg zur Heilung:

In meiner Arbeit mit Dir verfolge ich einen Ansatz, der sich aus verschiedenen  wirkungsvollen Komponenten zusammensetzt. 

Mit der allerwichtigste Faktor ist jedoch, dass wir diese Suchtkomponente der Bulimie/Binge Eating gemeinsam angehen. Du hast IMMER in Dir die Fähigkeit dem Drang nach einem Essanfall nicht nachzugeben!

Mithilfe bestimmter Methoden üben wir das so lange, bis es für Dich (wieder) zum Normalzustand wird.

Denn der gefühlte Kontrollverlust, das Gefühl nicht widerstehen zu können… ist eben letztlich nur das:
Ein Gefühl.
In Wahrheit kannst du bereits jetzt widerstehen und hast bereits jetzt die Kontrolle! 

Ich kann Dir dies bei einem kostenlosen Erstgespräch an einem ganz einfachen Gedankenspiel demonstrieren.

Sehr gerne unterstütze ich Dich bei Deiner Heilung, wenn Du unter Bulimie/Binge Eating oder einfach Deinem Essverhalten leidest. Ich freue mich darauf Dich kennen zu lernen. 

 

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