Es gibt nur EINEN Grund, warum Du einen Essanfall hast.

Dies ist ein ausführlicher und umfassender Artikel, in dem Du Folgendes erfährst, was wirklich GRUNDLEGEND für Deine Heilung ist:

  1. Was die -in letzter Instanz- EINZIGE Ursache für Deine Essanfälle ist.
  2. Warum es immer wieder vorkommt, dass Menschen auch nach langjähriger Psychotherapie immer noch unter Bulimie und Binge Eating leiden und welcher Aspekt dabei oftmals übersehen wird. 
  3. Welche Rolle Dein Gehirn, Konditionierung und Gewohnheit dabei spielen.

ACHTUNG Triggerwarnung!
Zwar sehe ich das Ganze mit den Triggern und dem Vermeiden ebensolcher kritisch, aber ich weiss natürlich nicht, an welchem Punkt Deiner Heilung Du Dich gerade befindest und wie stabil Du Dich gerade fühlst. 

Wenn Du Dir unsicher bist, dann mach das unter dem Bild folgende Gedankenspiel bitte nicht!
Es ist nicht notwendig für das Verständnis dieses Artikels. Es soll nur dazu führen, dass Du eben nicht nur Fakten liest, sondern auch spürst, was gemeint ist.
Denn das, was Du spürst, prägt sich besser ein, es lässt sich besser ver-inner-lichen.

Mach es nur, wenn Du Dich wirklich stabil fühlst!
Ich habe es in kursiver Schrift geschrieben, damit Du runterscrollen kannst zum „sicheren“ Text.

Stell Dir folgende Situation vor: 

Du hattest einen richtig anstrengenden Tag! Es gibt solche Tage…
Alles lief schief, Du hast nichts von dem geschafft, was Du Dir vorgenommen hast und zu allem Überfluss hat es wie aus Eimern geregnet. Der Himmel ist grau und so ist Dein Gemüt…
Bis Ende der Woche musst Du ein wichtiges Projekt fertiggestellt haben, die Kollegen waren heute alle irgendwie seltsam. Und dann hat auch noch jemand einen unnötigen Kommentar über Deine Figur gemacht.
Abends triffst Du Dich mit Freunden zum Essen. Du hattest schon kaum Zeit zum Mittagessen, hast nur schnell zu einem Apfel gegriffen. Und obwohl Dein Magen knurrt bestellst  Du lediglich einen Salat.  Du willst zumindest irgendetwas heute hinbekommen, und abnehmen steht ganz oben auf der Liste Deiner Ziele. 

Auf dem Weg nach Hause fällt Dir ein, dass Du keinen Kaffee mehr hast. Zum Glück hat der Supermarkt bei Dir um die Ecke bis 23 Uhr offen. Insgeheim ahnst Du bereits, dass es Dir jetzt eigentlich nicht um den Kaffee geht…

Du gehst in den Supermarkt und schaltest sofort auf Autopilot. Da landen fünf Gläser Erdnussbutter, große Packungen der Süßigkeiten von ganz unten im Regal (die sind nämlich billiger), irgendetwas Undefinierbares aus der Dose, und noch vieles Weitere in Deinem Einkaufswagen. 

Den Kaffee, den vergisst Du.

Als Du endlich zuhause ankommst und die Tür hinter Dir schliesst, die gähnende Leere Deiner Wohnung spürst-da brechen nun alle Dämme. 

Der Drang zu Bingen ist unerträglich, er scheint unkontrollierbar und unwiderstehlich! 

„Nur noch heute!! Nur noch dieses eine Mal!!!“ sagt die Stimme in Deinem Kopf. Noch im Stehen zerreißt Du Verpackungen, öffnest Gläser, isst mit den Händen, stopfst alles in Dich hinein, was nur geht.

 

Du denkst nichts, Du fühlst nichts, …

Ab hier kannst Du sicher weiterlesen...

Stell Dir bitte einmal folgende Frage: 
In der selben Situation wie oben beschrieben, das heisst Du bist emotional und körperlich total erschöpft, Du bist alleine und vor Dir liegt eine Tüte „Binge-Food“…

Würdest Du auch Bingen, wenn du KEINERLEI Drang danach hättest? Würdest Du auch einen Essanfall haben, wenn Du ÜBERHAUPT KEIN Verlangen nach einem Essanfall hättest?

Deine Antwort ist höchstwahrscheinlich NEIN! Warum solltest Du auch?

Es ist ganz ganz wichtig, dass Du das bewusst machst!

Es sind demnach letztlich nicht Deine Emotionen, wie Frust und Stress, es sind auch nicht die vielen Junk Food Lebensmittel in der Tüte, es sind auch nicht Deine Kindheitserfahrungen, die Dich dazu bringen einen Essanfall zu haben.

Das einzige, was Dich in letzter Instanz zu einem Essanfall verleitet, ist der Drang/ das Verlangen danach.

Neurobiologisch lässt sich das auch ganz einfach erklären:

Hier in vereinfachter Kürze, denn der menschliche Organismus ist zu komplex, als dass ich ihm in diesem Artikel auch nur annähernd gerecht werden könnte:

Die immer noch vorherrschende Annahme ist:

  • Wir haben einen Essanfall, weil etwas in uns um Hilfe ruft. Weil etwas in uns geheilt werden muss, wie zum Beispiel emotionale Themen, Traumata, Erfahrungen aus unserer Vergangenheit, …nennen wir es innere Wunden, die das Leben uns zugefügt hat.
  • Durch den Essanfall versuchen wir den bewussten oder unbewussten Schmerz, den diese inneren Wunden verursachen, zu betäuben, uns davon abzulenken.
  • Im Umkehrschluss würde das heissen: Wenn wir erst die emotionalen Themen geklärt haben, wenn wir die inneren Wunden geheilt haben- dann verschwinden  auch die Essanfälle.

 

Jedoch ist das ein ziemlich vages und zeitlich kaum einschätzbares Konstrukt! Ab wann ist man nun "heil" genug... um endlich keine Essanfälle mehr zu haben? Vor allem bei einem Störungsbild, das je länger es fortbesteht zu immer weiteren körperlichen und psychischen Schäden führt, ist es wichtig auch eine andere Herangehensweise zu wählen!

Schaut man sich nun von einer gehirnanatomischen Perspektive an, was genau in unserem Gehirn passiert, wenn wir in diesen Rauschzustand des Bingens kommen, dann wird klar:

  • Es ist dabei hauptsächlich! unser sogenanntes Reptiliengehirn involviert.
  • Das Reptiliengehirn, oder auch Hirnstamm genannt, ist der älteste Teil des menschlichen Gehirns. Es hat sich bereits vor ca. 500 Millionen Jahren entwickelt. 
  • Es ist für die überlebenswichtigen Bereiche zuständig, wie Atmung, Herzschlag,… aber eben auch die Regulation der Nahrungsaufnahme.

Im Reptiliengehirn befindet sich der mit Abstand stärkste Trieb des Menschen, nämlich der Überlebenstrieb. Diesem ist alles andere untergeordnet.

  • Unser Reptilienhirn ist jedoch NICHT für emotionale Bereiche wie Liebe, Freude, aber auch innere Leere, Trauer oder Frustration zuständig.

Das findet in anderen Bereichen des Gehirns statt, die sich erst viel später entwickelt haben. Diese anderen Bereiche formen dann das, was wir als unser ICH wahrnehmen.
Dort befinden die „feineren“ Themen wie Freundschaft, Musik, Spiritualität, Philosophie, Ziele setzen, diskutieren, eine Meinung zu etwas haben,…und Handlungen (Bewegungen) initiieren.

  • Dieser letzte Aspekt, das mit den Handlungen initiieren, das ist wichtig, bitte behalte ihn im Hinterkopf. 

Wenn wir nun einen Essanfall haben, rauschhaft die Kontrolle verlieren, dann wurde aufgrund irgendwelcher Faktoren unser Überlebenstrieb bezüglich Nahrung im Hirnstamm aktiviert. Und nun ist alles auf Nahrungsaufnahme ausgerichtet. 
Selbst wenn Du Dir noch so sehr vornimmst (erinnere Dich: die Zielsetzung, die passiert in  den anderen Teilen des Gehirns) keinen Essanfall zu haben… gegen Dein Reptilienhirn- so scheint es- hast Du keine Chance!
Es entzieht sich jeglicher Logik und ist mit rationalen Argumenten nicht zu überzeugen. 

Hinzu kommt: Haben wir einen Essanfall und wiederholen dies ein paar Mal, dann greift hier das simple Prinzip der Konditionierung.

Denn was passiert nach einem Essanfall? 

  • Kurzfristig fühlen wir uns besser! Das quälende Verlangen ist weg und unser Organismus ist geflutet mit Zucker und Fett, was zur Ausschüttung von Glückshormonen wie zum Beispiel Serotonin führt. Dies wirkt wie eine Belohnung, wie eine Verstärkung dafür ebendieses Verhalten (den Essanfall) wieder auszuführen.
  • Nur leider hat das Konditionierungsprinzip ein sehr kurzes Gedächtnis. Nur das, was unmittelbar hintereinander erfolgt wird als kausal zusammenhängend abgespeichert. Und das ist eben nur das ganz kurze „Besserfühlen“. 
  • Das furchtbar aufgeblähte Gefühl schon ein paar Minuten später, die Bauchschmerzen, die Übelkeit, die Selbstvorwürfe, die Scham,..all das wird bei der Konditionierung nicht mehr berücksichtigt!

Als mir das Alles das erste Mal wirklich klar geworden ist,  da war das für mich ein AHA Moment! Diese neue Sichtweise hat das, was ich bislang wusste und erfahren habe so komplettiert, dass es Sinn ergab. Dass ich das Gefühl hatte, nun kann ich wirklich bestmöglich und nachhaltig helfen.

Ich hatte gerade eine neue Patientin, sie hatte seit sehr vielen Jahren eine Binge Eating Störung mit Phasen schwerer Bulimie. Sie war in Kliniken, hatte alle Arten herkömmlicher Psychotherapie gemacht, kannte die gängigen Therapiemethoden wie Journaling, Triggeranalysen, etliche Copingansätze und hatte über die Zeit die schwierigen Themen ihrer Vergangenheit aufgearbeitet. 

Und da sass sie mir nun gegenüber. 
Und das Problem war immer noch da: Sie hatte noch immer und immer wieder Essanfälle.

Ich sollte jetzt einfach weiter machen wie bisher? Das konnte ich einfach nicht!

Denn das Wichtigste und auch für Deine Heilung Schönste an der Sache mit dem Reptiliengehirn habe ich Dir noch nicht mitgeteilt: Dein Reptilienhirn kann keine Handlungen veranlassen.

Dies macht, wie bereits geschrieben, der höher entwickelte Teil Deines Gehirns. Das Reptiliengehirn hat keinerlei Einwirkung auf das, was Du tust, keinen Zugang um bspw. Deine Muskeln willentlich in Bewegung zu setzen.

 

Das bedeutet: Ob Du nun auf den Drang zu Bingen reagierst und zu dem Glas Erdnussbutter greifst, das entscheidet einzig und alleine Dein höhenentwickeltes Gehirn. Das entscheidet Dein eigentliches „ICH“! Und dieses kannst Du (lernen zu) kontrollieren! 

Hier bietet sich eine große Chance für die Therapie von Bulimie/Binge Eating. 

Die Autorin Kathryn Hansen hat darüber ein sehr interessantes Buch geschrieben, in dem sie genau beschreibt wie das funktioniert.  (Das Buch heisst Brain oder Binge)

Allerdings hat mir die Erfahrung gezeigt, dass das alles den meisten Menschen zwar durchaus einleuchtet, dass sie es im Alleingang aber nicht schaffen das wirklich umzusetzen.

Auch sehe ich die Behandlung von Bulimie/Binge Eating dennoch nicht ganz so einfach und „schwarz-weiss“ wie die Autorin es beschreibt: 

  • Es gibt sehr wirkungsvolle Methoden in der herkömmlichen Psychotherapie!
  • Es gibt Phasen in denen Journaling, Triggeranalysern, Aufarbeiten schwieriger Themen der Vergangenheit,…äusserst wichtig und notwendig sind!
  • Es macht absolut Sinn nicht nur beim „Verlangen“ nach dem Essanfall anzusetzen, sondern auch die wichtigsten Faktoren zu reduzieren, die dieses Verlangen auslösen.
  • All das Genannte macht den Heilungsweg sehr viel leichter und/oder in manchen Fällen auch erst möglich.  

Meine Arbeit beinhaltet deshalb sowohl Teile herkömmlicher Psychotherapie, als auch Teile dieses neuen Ansatzes. Hinzu kommen Elemente aus anderen Bereichen, die sich in der Vergangenheit als hilfreich bei der Heilung von Bulimie/Binge Eating erwiesen haben. Ich habe festgestellt, dass dieses multifaktorielle Vorgehen (man setzt an mehreren Punkten an) auch die beste Rückfallprophylaxe ist.

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